Jesus versöhnt
Ein Briefschreiber des Neuen Testaments hält fest, wie zentral die Schuldfrage für uns Menschen seiner Meinung nach ist: „Wenn wir sagen, wir seien ohne Schuld, betrügen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns.“ (1. Johannesbrief 1,8) Johannes berührt hier einen unangenehmen Punkt – die Schuldfrage. Auch wenn wir in Westeuropa nicht gerade eine Schamkultur sind, in der es das Schlimmste ist, sein Gesicht zu verlieren, gehört dies auch nicht zum Schönsten, was wir uns vorstellen können, oder?
Umgang mit der unbequemen Schuldfrage
Viele Menschen haben deshalb dafür eine Strategie entwickelt, die in zwei Richtungen geht. Erstens, Schuld haben immer die anderen. Zweitens, ein ganz kleines bisschen Schuld habe ich auch, aber das ist so wenig, dass es (hoffentlich) nicht ins Gewicht fällt.
Ich muss Sie enttäuschen: Johannes hat absolut recht mit seiner obigen Behauptung. Wenn Sie es nicht glauben, dann laden Sie doch einfach einmal eine Gruppe aus Familienangehörigen, Freunden, Kollegen, Konkurrenten etc. ein und fragen sie diese, ob Sie schon einmal an ihnen schuldig geworden sind. Wenn es Ihnen so geht wie mir, dann reicht Ihnen allein die Vorstellung und Sie können auf die Übung verzichten …
Umgang mit unserer Selbsterkenntnis
Die Bibel stellt diese Wahrnehmung (Ja, auch ich bin schuldig, bin „Sünder“) in einen besonderen Zusammenhang. Jesus sagt: „Ich versichere euch: Jeder, der sündigt, ist ein Sklave der Sünde. … Nur dann, wenn der Sohn euch frei macht, seid ihr wirklich frei.“ (Johannesevangelium 8,34 u. 36) Es geht nicht nur um ein ein- oder mehrmaliges Versagen, sondern darum, dass wir durch die Sünde in unserem Leben gefangen sind und z.B. Dinge tun „müssen“, die wir gar nicht wollen – wie Sklaven eben. Paulus stellt diese elende Situation so dar: „Wenn ich Gutes tun will, tue ich es nicht. Und wenn ich versuche, das Böse zu vermeiden, tue ich es doch. … Es ist anscheinend wie ein inneres Gesetz in meinem Leben, dass ich, wenn ich das Gute will, unweigerlich das Böse tue. … In mir wirkt ein anderes Gesetz, das gegen meine Vernunft kämpft. Dieses Gesetz gewinnt die Oberhand und macht mich zum Sklaven der Sünde, die immer noch in mir ist. Was bin ich doch für ein elender Mensch! Wer wird mich von diesem Leben befreien, das von der Sünde beherrscht wird?“ (Römerbrief 7,19-24).
Erfahrung von Freiheit
Diese elende Versklavung, die aber gleichzeitig bindende rechtliche Konsequenzen hat, ist ein Bild, das die Bibel häufig für Schuld und Erlösung zeigt. Es reicht nicht, dass ich frei sein möchte. Als Sklave brauche ich jemanden, der mich freikauft. Dies gilt übertragen auch für unseren Umgang mit Schuld. Denn genau deshalb ist Jesus Mensch geworden und ließ sich schließlich unschuldig hinrichten. Das war kein „Unfall“, es war Absicht – Gottes gute Absicht mit uns: „Selbst der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um anderen zu dienen und sein Leben als Lösegeld für viele Menschen hinzugeben.“ (Markusevangelium 10,45).